Das österreichische Erbrecht hat sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt und zu einer dynamischen Materie entwickelt. Diese Umstände gaben dem Gesetzgeber zu tiefgreifenden Reformen Anlass.
Letztwillige Verfügungen
Von zentraler Bedeutung ist die Errichtung (form)gültiger Testamente und letztwilliger Verfügungen sowie die Anfechtung ungültiger oder unwirksamer Testamente. Nach wie vor besteht die Wahlmöglichkeit des Erblassers ein eigenhändiges oder fremdhändiges Testament zu errichten. Die Formvorschriften für die Errichtung eines gültigen fremdhändigen Testaments wurden allerdings in jüngster Vergangenheit sowohl vom Gesetzgeber als auch von der Rechtsprechung verschärft.
Beispielsweise wurde bei fremdhändigen Testamenten die Formvorschrift einer eigenhändig hinzugefügten „nuncupatio“ (Bekräftigung) eingeführt. Ebenso wurden die Vorgaben für gültige Unterschriften der Testamentszeugen geändert. Durch diese gesetzliche Verschärfung wird die Gültigkeit alter, vor dem Stichtag der letzten Erbrechtsreform errichteter fremdhändiger Testamente nicht berührt. Auch die Rechtsprechung hat die Formvorschriften für fremdhändige Testamente jüngst verschärft. Für ein formgültiges Testament muss zwischen dem Blatt, auf welchem sich die Unterschrift des Erblassers und/oder der Zeugen und dem Blatt, auf dem sich der Text der letztwilligen Verfügung befindet, ein räumlicher oder inhaltlicher Zusammenhang bestehen. Gefordert wird die sogenannte äußere Urkundeneinheit. Ein fremdhändiges Testament ist zum Beispiel dann nicht gültig, wenn der Erblasser oder die Zeugen auf einem losen Blatt unterschrieben haben, ohne dass ein räumlicher oder inhaltlicher Zusammenhang mit dem Blatt, auf dem sich der Text der letztwilligen Verfügung befindet, besteht.
Gesetzliche Erbfolge
Kommt mangels einer formgültigen letztwilligen Verfügung die gesetzliche Erbfolge zum Zug, stellen in der Praxis Fragen der An- und Hinzurechnung von Vorempfängern zu Lebzeiten des Erblassers zum Erbteil regelmäßige Ursachen für Auseinandersetzungen zwischen den betroffenen Personen dar. Auch im Bereich der An- und Hinzurechnung hat der Gesetzgeber im Rahmen der letzten Erbrechtsreform wesentliche Änderungen vorgenommen. Während nach der alten Rechtslage grundsätzlich nur eine Anrechnung von Vorempfängern und Vorschüssen vorgesehen war, sind nunmehr Gegenstand der An- und Hinzurechnung alle Schenkung unter Lebenden. Dies stellt eine wesentliche Erweiterung des bisherigen An- und Hinzurechnungsregimes dar. Auch bei der Anrechnungsmethode kam es zu einer wesentlichen Änderung. Während nach der alten Rechtslage zwischen unbeweglichem Vermögen (Liegenschaften) und beweglichem Vermögen unterschieden wurde, ist nunmehr diese Unterscheidung nach der neuen Rechtslage nicht mehr gegeben und in jedem Fall die Bewertung des an- und hinzuzurechnenden Vermögens gleich vorzunehmen.
Pflegevermächtnis, Schenkung, Pflichtteilrecht
Im Regime des Pflichtteilsrechtes kommt es regelmäßig in der Praxis zu Auseinandersetzungen bei der der An- und Hinzurechnung auf den Pflichtteil sowie bei der Frage, ob und inwieweit unentgeltliche Verfügung zu Lebzeiten des Erblassers bei der Berechnung des sogenannten Schenkungsergänzungspflichtteils zu berücksichtigen sind. Nach wie vor wird dabei zwischen Schenkung an pflichtteilberechtigte Personen und Schenkung an sonstige Personen unterschieden. Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen können grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung im Rahmen der Schenkungspflichtteilsergänzung zu einer Hinzu- und Anrechnung führen. Bei Schenkungen an andere Personen gilt grundsätzlich eine zweijährige Frist vor Ableben des Erblassers. Wann genau eine Schenkung vollzogen ist und somit die erwähnte 2-Jahresfrist zu laufen beginnt, kann im Einzelfall strittig sein. In der Praxis spielen Zuwendungen an Privatstiftungen und/oder Schenkungen von Liegenschaften unter Zurückbehaltung eines Fruchtgenussrechtes und eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes eine große Rolle. Bei derartigen Konstellationen hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit zu Gunsten des jeweiligen Pflichtteilsberechtigten einen „relativ“ späten Zeitpunkt des Vollzugs der Schenkung angenommen.
Die Bewertung des hinzu- und anzurechnenden Vermögens ist nach neuer Rechtslage nunmehr einheitlich unabhängig vom Umstand, ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt, so vorzunehmen, dass der Zustand und Wert im Zeitpunkt der Schenkung als Ausgangsbasis heranzuziehen ist und dieser Wert anhand des Verbraucherpreisindex auf den Todeszeitpunkt inflationsanzupassen ist.
Auch das durch den Gesetzgeber neu eingeführte Pflegevermächtnis führt in der Praxis immer wieder zu Diskussionen und Auseinandersetzungen. Jüngst hat das Höchstgericht z.B. entschieden, dass das Pflegevermächtnis (so wie die übrigen Vermächtnisse) bei der Ausmittlung der Pflichtteilsansprüche von der Bemessungsgrundlage nicht abzuziehen ist.
Unsere Kanzlei vertritt und berät seit Jahrzehnten erfolgreich Personen im Zusammenhang mit der Errichtung von letztwilligen Verfügungen, bei der Regelungen der Vermögensübergabe generell sowie bei diversen Fragen betreffend erbrechtliche Ansprüchen. Dabei zeigt sich in der Beratungspraxis, dass eine Vielzahl an Auseinandersetzungen und Streitigkeiten bei frühzeitiger Erkennung und entsprechender Vorsorge verhindert werden können.
Aktuelles aus dem Erbrecht
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01.02.2022
Vorbehalt des Fruchtgenusses schiebt Bewertungszeitpunkt nicht hinaus
geschrieben von HBW
Der Wert einer hinzurechnungspflichtigen Schenkung ist für den Zeitpunkt der tatsächlichen Durchführung (Vermögensopfertheorie) zu ermitteln und bis zum Todeszeitpunkt nach dem VPI anzupassen. Anders als nach Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 schiebt der Vorbehalt eines Fruchtgenussrechtes durch den Erblasser den Bewertungszeitpunkt der Schenkung nicht auf den Todeszeitpunkt hinaus (OGH 28.09.2021, 2 Ob 111/21v).
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01.02.2022
Auskunftsanspruch über Schenkungen
geschrieben von HBW
Hinzurechnungsberechtigte, insbesondere Pflichtteilsberechtigte, haben einen Auskunftsanspruch über Schenkungen, der sich gegen die Verlassenschaft, die Erben oder die Geschenknehmer richtet. Bereits bekannte hinzurechenbare Zuwendungen an einen Pflichtteilsberechtigten stellen ein ausreichendes Indiz für weitere Zuwendungen an diese Person dar, welche einen Auskunftsanspruch begründen (OGH 17.11.2020, 2 Ob 227/19z).